Detlef Kusch Apr 26, 2022 7:38:11 PM Lesezeit 4 Minuten

Fokussierung und Vielfältigkeit am Arbeitsplatz – ein Widerspruch?

Was macht eigentlich erfolgreiche Menschen aus? Diese Frage wird immer wieder gerne gestellt. Und es gibt unzählige Antworten darauf. Ein Betrachtungswinkel ist die Selbstorganisation und Konzentration auf das Wesentliche. Denn erfolgreiche Menschen verbindet ein besonderer Umstand:
Sie richten ihre Aufmerksamkeit und Handlungskraft gezielt auf das, was sie im (Berufs-)Leben weiterbringt. Sie schaffen es, immer wieder fokussiert zu bleiben, auch wenn sie von einem Meer an Aufgaben umgeben sind. Sie halten ihre Konzentration hoch und sind hoch produktiv – in dem Aktions- und Aufgabenfeld, dem sie sich verpflichtet haben.

Es scheint eine Strategie dahinter zu liegen, ein ausgetüfteltes Zeitmanagement in Verbindung mit messerscharfem Fokus. Sie schaffen es scheinbar, in kürzester Zeit außergewöhnliche Ergebnisse zu erzielen. Sicher gibt es in der heute digital geprägten Arbeitswelt eine üppige Auswahl an Apps und Tools, die eine Erleichterung und Ergebnisoptimierung der täglichen Arbeit versprechen, aber nicht selten kostet die Bedienung derselben oft mehr Kraft, Konzentration und Zeit, als einzusparen versprochen wird. Da scheint mancher Zettelkasten hilfreicher, mancher Kalender mit Cockpit-Effekt effizienter, als die angebotenen digitalen Hilfsmittel.


Das Geheimnis muss wohl woanders zu finden sein. Ich denke zurück an das, was ich von einem Sales Trainer einmal gehört habe, auf die Frage nach seiner Selbstorganisation. „Wenn ich morgens um 7 unter der Dusche stehe, weiß ich, was ich bis 19 Uhr mache!“, was mir zu denken gab. Bin ich so Jemand? Will ich das? Brauche ich 12 Stunden am Tag für meinen Erfolg? Ich habe auch schon gehört, dass das, was man in 8 Stunden nicht schafft, auch in 12 Stunden nicht erreichbar ist. Denn Menschen könnten zwar kurzzeitig Hochleistungen bringen, im Durchschnitt aber seien sie lediglich 6 Stunden am Tag wirklich produktiv. Demnach geht es wohl eher darum, aus der zur Verfügung stehenden, üblichen Arbeitszeit das Optimum herauszuholen. Zeit und deren Verwendung ist wohl der Schlüssel.

Zeit…, wie lange sie dauern kann, wenn wir warten müssen! Und wie schnell sie verfliegt, wenn wir gefordert oder gestresst sind. Aber, ist sie richtig verbracht? Konnten wir erreichen, was wir uns gewünscht haben? Sind wir unseren Aufgaben darin zur Zufriedenheit gefolgt, konnten wir uns aussichtsreiche Perspektiven ermöglichen? Und bleibt genug, um Beziehungen zu pflegen, Hobbys nachzugehen, sie mit Familie und Freunden zu verbringen? Gar nicht so einfach, das richtige Maß zu finden. Zeitgefühl bestimmt unser Leben, und wir können sie nicht manipulieren. Zeit ist die unerbittliche Richterin über Erfolg oder Misserfolg. Eines aber können wir tun: die uns gegebene Zeit sinnvoll nutzen und das meiste herausholen von dem, was möglich ist. Zeit bewusst verbringen und bestmöglich darin ausagieren, was wir anstreben, was wir uns vornehmen.

Die meisten Menschen verbringen den Tag überwiegend damit, ihrem Erwerbsleben zu folgen und Geld zu verdienen. Diese Zeit konzentriert und organisiert zu verbringen lässt mehr Zeit mit Selbstsein, Familie, Freunden und Hobbys zu. Erfüllte Zeit im Privatleben wiederum spendet Kraft und fördert Inspiration für berufliche Entfaltung. Es braucht das ausgewogene Gleichgewicht, die Work-Life-Balance, die ein erfülltes, erfolgreiches Leben begründet. Nun steigen die Anforderungen -gerade auch in dieser Zeit des Remote-Arbeitens - an zu erfüllende Leistungen in Schule, Studium und Beruf. Zwar spricht man allgemein von Vertrauensarbeitszeit, dennoch stehen zu erfüllende Erwartungen dahinter, die es gleichgültig stellen, wann und wo diese Leistungen erbracht werden. Maßstab ist die fristgerechte Leistungserbringung.

Feste Arbeitszeiten stehen bei vielen Unternehmen nicht mehr im zentralen Blickfeld, den Mitarbeitenden bleibt es freigestellt, ihre Zeit beliebig einzuteilen. Viele Aufgaben und Jobs werden im Homeoffice oder hybrid bewältigt. Freie Zeit hört sich zunächst einmal attraktiv an, frei ist aber nur, wer sein Pensum rechtzeitig geschafft hat (und nicht abends oder am Wochenende noch schnell nachlegt). Eine durchdachte Zeiteinteilung ist sicher ein möglicher Ansatz, diesem Druck zu begegnen, reicht aber leider nicht aus. Um die gegebene bzw. verfügbare Zeit wirklich effektiv zu nutzen und die Freizeit genießen zu können, ist ein klarer Blick auf deren Gestaltung unverzichtbar. Fokussierung in vielfältigem Umfeld ist das Gebot; sich einerseits konzentriert den Aufgaben zu widmen und diese ohne Störgefühle zu erfüllen, andererseits den klaren Blick auf die eigenen elementaren Bedürfnisse zu richten. Nur wer eine solche Ausgewogenheit schafft, Wichtiges von Unwichtigen, Eiliges von Geduldigem trennen kann, wird seinem Leben gerecht werden und dieses in Gesundheit und Glück führen können.

Digitale Hilfsmittel und Kommunikationsmöglichkeiten steigern zwar die Erwartung an Umfang und Menge der Leistungserbringung, dennoch haben wir Einfluss auf erfolgreiche Bewältigung, gewinnen sogar noch Raum und Kapazität für kreative Prozesse und innovative Ideen, wenn wir unsere Zeit konzentriert und übersichtlich gestalten. Hier einige Anregungen dazu:

  1. Vermeiden Sie Hetze, auch wenn’s mal eilig wird. Ordnung, Planung und Priorisierung sind die passenden Mittel.
  2. Definieren Sie vorausschauend Tages-, Wochen-, Monats-, Quartals- und Jahresziele und vor allem, wie diese konkret erreicht werden können.
  3. Vermeiden Sie Vertagungen oder Verschiebungen, sonst schwächen Sie ihren Fokus. Sind ihre Planungsetappen nicht realisierbar, überprüfen Sie noch einmal ihre Ziele (die zumindest zeitlich und faktische Erfüllbarkeit beinhalten sollten)
  4. Bleiben Sie konkret. Verzichten Sie „Träumereien“, nehmen Sie stattdessen ihre Wünsche ganz konkret in die Hand und definieren deren Erfüllungsweg.
  5. Verzichten Sie darauf, Andere für Ihre Zielerfüllung verantwortlich zu machen, binden Sie bei Bedarf und im Sinne des Delegationsprinzips verlässliche Helfer und Förderer ein.
  6. Lernen Sie, Nein zu sagen. Das geht auch achtsam und wertschätzen. Sie vermeiden so die eigene Überforderung und ersparen andern die Enttäuschung, wenn’s dann doch nicht klappt.
  7. Haben Sie den Mut zu Großem. Ihre Selbstwirksamkeitserwartung bestimmt wesentlich den Grad der Leistungstiefe und -Fülle, die Sie nach gelungenem Prozess vorweisen können.
  8. Vermeiden Sie Störquellen und Ablenkungen. Ein aufgeräumter Arbeitsplatz, die verlässliche direkte Verfügbarkeit aller notwendigen Materialien und Geräte, sauber konfigurierte IT sind das Mindeste, was Sie hergestellt haben sollten. Sorgen Sie für klare Zeitfenster, in denen Sie ansprechbar sind.
  9. Nutzen Sie Notizen und Aufzeichnungen, dann haben sie diese so lange aus dem Kopf, bis sie Verwendung finden sollen. Moderne Kollaborations-Tools helfen hier effizient. Selbst gut sortierte Handnotizen sind sehr wirksam.
  10. Und last but not least, bewahren Sie strengste Ordnung in ihren digitalen Unterlagen. Abgelegt, abgespeichert ist schnell. Aber wie ist es mit der Wiederauffindbarkeit, mit Versionenvielfalt, Zugehörigkeit und Bedeutung von Dokumenten und Daten?

Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Im Grunde geht es um Vorausschau und Weitsicht im Arbeitsalltag, um der Vielfalt der Aufgaben fokussiert begegnen zu können und sie zielführend und zeitnah zu erfüllen. So manche Ausweichmanöver, die gerne anstelle des Eigentlichen angegangen werden, um unangenehme Aufgaben „später“ aufzugreifen, fallen oft nicht auf, wenn man nicht gezielt hinschaut. Kennen Sie das? Es steht ein Telefonat an, das einen Konflikt erwarten lässt. Statt es zügig anzugehen, wird der Zeitpunkt verschoben, aber das Thema kreist trotzdem in den Gedanken weiter und lenkt ab. Oder ein Konzeptpapier ist aufzusetzen, das den ganzen Arbeitstag in Anspruch zu nehmen droht. Es wird auf „morgen“ verschoben, auf den Zeitpunkt, an dem man sich scheinbar besser konzentrieren kann. Nur „morgen“ kommen ganz eilig neue Aufgaben hinzu. Oder denken Sie einmal an den Aufwand und die Ablenkung durch das ständige Lesen und Beantworten von E-Mails, anstelle eines fixen Zeitfensters dafür.

Wie kann der Weg in fokussiertes, effizientes Arbeiten aussehen? Ein solider Start ist die realistische Selbsteinschätzung. Was kann ich ohne Störung und Ablenkung konzentriert leisten, und wann sollte ich ablehnen, Änderungen anstreben oder delegieren? Menschen neigen nämlich in der Regel dazu, sich zu überschätzen oder zu unterschätzen. Holen Sie sich gerne Feedback ein von Menschen, die Sie schätzen und denen Sie ein gutes Urteilsvermögen zutrauen, um die eigene Einschätzung noch einmal aus anderer Perspektive zu betrachten.

Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Einteilung des Arbeitstags in sinnvolle Teilabschnitte. Forschungen haben ergeben, dass 90 Minuten (entspricht zwei Unterrichtseinheiten im Schulbetrieb) ein Zeitabschnitt sind, in dem wir uns am besten konzentrieren können. Darauf bauen Seminare, Workshops und Unterrichtsformen auf. Warum sollten wir diese Erkenntnisse nicht in unseren Arbeitsalltag integrieren? Kein Mensch arbeitet den ganzen Arbeitstag hindurch sicher und produktiv. Ermüdungen und Konzentrationsschwächen mit der Folge hoher Fehlerquoten wäre die Konsequenz.

Ein dritter wesentlicher Schritt ist, die täglichen Aufgaben sinnvoll miteinander zu verknüpfen. Vielleicht lassen sich bei guter Planung auch mehrere (Teil-)Aufgaben in gleichem Zeitraum erledigen. So beispielsweise während einer Warte- oder Reisezeit. Vor allem die Priorisierung von Aufgaben nimmt eine Schlüsselrolle ein. Vielfalt, das ist ein erschreckender Begriff, wenn das Mengen gleichrangiger Themen und zu bewältigender Aufgaben bedeuten soll. Vielfalt klingt nach Spaß und kreativer Herausforderung mit hoher Erfolgserwartung, wenn man gestaltend und zuordnend darauf Einfluss nimmt. Eingeteilt in Kategorien, gebündelt in Zugehörigkeiten, strukturiert nach Wichtigkeit und Abläufen, so können Ziele sicher angesteuert und erreicht werden.

Neben vielen Zeitmanagement-Strategien, die Ihnen sicher nicht neu sind wie z.B. dem Klassiker, dem Eisenhower-Prinzip, neben der Alpenmethode oder Pomodoro-Technik sehe ich das Pareto-Prinzip (80:20-Regel) als eine spannende Möglichkeit, ein gelingendes Zeitmanagement über Priorisierung herzustellen. Vergleichbar zum Ertragsgesetz, dass aus der Landwirtschaft abgeleitet wurde, um in der Wirtschaft Mengen-Wirkungs-Verhältnisse zu betrachten, lässt sich das Pareto-Prinzip auch als Regel über das Verhältnis von Aufwand und Ergebnis nutzen. Die 80:20-Regel bezeichnet den Umstand, dass innerhalb einer gegebenen Gruppe oder Menge einige wenige Teile einen weitaus größeren Wert aufweisen, als dies ihrem relativen, größenmäßigen Anteil an der Gesamtmenge in dieser Gruppe entspricht.

Beispiele dafür:

  • 20 Prozent Ihrer Kunden sind so wichtig sind, dass sie für 80 Prozent des Umsatzes verantwortlich sind;
  • 20 Prozent der Besprechungszeit bewirken 80 Prozent Ihrer Beschlüsse
  • 20 Prozent der Produktionsfehler Ihres Unternehmens verursachen 80 Prozent des Ausschusses
  • 20 Prozent Ihrer Waren bringen 80 Prozent des Umsatzes

Erkennen Sie Ansätze für besseres Zeit- und Zielmanagements?

Welche Lösungen haben Sie für Ihr Unternehmen, für sich selbst gefunden? Lassen Sie uns gemeinsam diskutieren, den offenen Gedankenaustausch pflegen, wie wir in diesen schnelllebigen digitalen Zeiten die Übersicht behalten können. Wie wir den wachsenden Anforderungen an Schnelligkeit und Effizienz begegnen können, dabei die Vielfalt des Spektrums unserer Möglichkeiten schätzen und nutzen lernen, indem wir klar, fokussiert und achtsam unseren Arbeits- und Geschäftsalltag pflegen.