Tomas Schiffbauer Dec 5, 2020 12:00:00 AM Lesezeit 4 Minuten

Gründen in der Krise

#05 Blogbeitrag aus dem Adventskalender 2020

Warum kommt man ausgerechnet in der Krise auf die Idee, etwas grundlegend Neues zu starten. Eigentlich wäre es doch gescheit, sich auf das zu verlassen und das voranzutreiben, was bisher erfolgreich war, oder?

Genau darin liegt schon ein Teil der Antwort. Entweder war etwas vielleicht gar nicht so erfolgreich, wie man sich das persönlich vorgestellt oder gar vorgemacht hat. Oder etwas war tatsächlich bis gestern noch erfolgreich und durch die Krise ist es das von heute auf morgen nicht mehr.

Gründen in der Krise

Für beide Szenarien möchte ich hier jeweils ein kleines Beispiel bringen.

Das eine Beispiel betrifft mich ganz persönlich und direkt. Das zweite Beispiel zeigt, wie die Krise ein komplette und radikale Neuausrichtung notwendig und möglich machte.

Ich selbst habe mich zu Beginn der Corona-Krise entschieden, meinen Weg, den ich als Berater die vergangen acht Jahre beschritten habe, zu verlassen. Dabei wollte ich nicht alles über Bord werfen und verteufeln, was ich in den vergangenen Jahren getan habe, aber ich wollte meinem Tun und Wirken eine neue Dimension oder eine höhere Wirksamkeit verleihen. Ein wichtiger Treiber dabei war für mich, dass ich in meiner Tätigkeit einen höheren Sinn sehen wollte. Ich hatte mir einmal vorgenommen, durch mein Wirken als Berater diese Welt ein Stück besser zu machen. Die Krise war für mich ein Grund, mich erneut an dieses, etwas aus den Augen geratene Ziel zu erinnern. Die Konsequenz ist, dass wir vor wenigen Wochen mit elf weiteren Kollegen eine neue Beratungsfirma gegründet haben. Unser Ziel mit dieser Beratung ist es, Geld zu erwirtschaften, mit dem wir über die Sicherung des eigenen Broterwerbs hinaus größere Dinge bewegen können. Projekte, die Nachhaltigkeit im Fokus haben, Menschen und ihre Bedarfe im Vordergrund sehen, Fairness und Kollaboration fördern, weniger Haifischbecken und mehr Unterstützung und Gemeinschaftlichkeit kultivieren wollen. Dazu haben wir neben einem Beratungsunternehmen auch einen Verein gegründet, der sich mit dem Thema Verantwortungseigentum (www.stiftung-verantwortungseigentum.de) befasst. Dieser Verein macht es sich zur Aufgabe, Projekte zu unterstützen, die die Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen verfolgen. Damit wollen wir unseren Beitrag leisten, um diese Ziele zu erreichen.

Eine ähnliche und doch viel radikalere Reise hat Jutta Landkotsch in den letzten Monaten erlebt und durchlebt. Auch ist ihre Neuausrichtung deutlich massiver, als unsere. Jutta hatte ein gut gehendes Catering Unternehmen über Jahre hin aufgebaut. Mit dem Lockdown im Frühjahr 2020 war von heute auf morgen Schluss damit. Die Kühlhäuser waren voll mit Waren. Alle Veranstaltungen, Konzerte und Fußballspiele waren Knall auf Fall abgesagt. Was also tun? Aus dieser Situation heraus entstand der Gedanke die Lebensmittel für einen guten Zweck einzusetzen. Es wurden Brote geschmiert und an obdachlose und sozial benachteiligte Menschen verteilt. Es wurde „Essen im Glas“ an Pflegekräfte (die zu dieser Zeit alle am Limit und darüber hinaus gearbeitet haben) verteilt, damit sie nach ihren Schichten im Krankenhaus oder im Pflegedienst nicht noch ihr Essen kochen mussten. Aus der Idee mit den vorhandenen Lebensmitteln etwas Sinnvolles zu tun, entstand der Wunsch, dieses Engagement und den Einsatz für die Bedürftigen unserer Gesellschaft zu professionalisieren. Aus diesem Grund gründete Jutta mit ihrem langjährigen Kompagnion Sepp Zimmermann kurzerhand das gemeinnützige Unternehmen fairshare gUG. Gemeinsam betreiben beide in Kooperation mit anderen karitativen Organisationen die Verpflegung der Obdachlosen am Kölner Hauptbahnhof.

Die ganze Geschichte von der Entstehung von FairShare gibt es hier ab Minute 13:35 (Punkt 4 in der Zeitleiste unter dem Video klicken zum direkten Einstieg) zu sehen.

Es sind sicherlich zwei sehr unterschiedliche Beispiele, wie Menschen aus der Krise für sich etwas haben gewinnen können, was sie vorher verloren oder noch gar nicht im Kopf hatten. Was beiden gemeinsam ist, ist der Gedanke nach Sinnstiftung und den Wunsch, einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Einmal sehr pragmatisch, auf der Straße erlebbar, sichtbar und spürbar. Und einmal etwas abstrakter, in Form einer etwas anderen Art der Beratung, bei der es um mehr geht, als nur die wirtschaftliche Optimierung von Unternehmen und Organisationen.

Lasst uns unsere eigene Welt ein Stück „aus den Angeln heben“ - ich glaube wer für sich spürt, dass ein "weiter so" nicht passt, sollte den Moment nutzen - Krisen sind immer auch magische Momente! Vielleicht fühlt sich der ein oder andere berufen Jutta & Sepp nachzueifern. Vielleicht ist es für Euch auch passend das Projekt zu unterstützen. Oder Euer Weg führt euch wo ganz anders hin... "Werde wer du bist" ist vielleicht der passende Leitspruch dazu.